Vechta: „Alle sind heiß wie Frittenfett!“

Mit der 1. Herren des SC RASTA Vechta, dem Farmteam des easyCredit Basketball-Bundesligisten, schaffte Marius Graf in seinem ersten Jahr als Head Coach der Talente sogleich den Klassenerhalt. Im ausführlichen Interview spricht der gebürtige Dortmunder über sein Premierenjahr, aktuelle Herausforderungen in der Corona-Krise und wie es dabei um den Nachwuchs RASTA Vechtas in JBBL und NBBL steht.
Marius, Du hast ja nicht nur den Basketball als Dein Berufsfeld gewählt, sondern bist generell sehr interessiert am Sport. Hältst Du Dich in diesen Zeiten nun mit Re-Live über Wasser oder wie stillst Du das Verlangen nach TV-Sport?
„Ich schaue auf jeden Fall sehr viel Spiele aus der Konserve! Über die Homepage der NBA gibt es richtig viel Content. Mein Highlight bisher war ein Re-Live von Spiel 5 der Western Conference-Finals 1986, die Lakers mit Magic Johnson und Kareem Abdul-Jabbar gegen die Rockets mit Hakeem Olajuwon. Und Houstons Ralph Sampson hat die Serie dann mit einem Buzzer Beater entschieden. Natürlich sind auch Spiele von Dirk Nowitzki es wert, sie sich im Re-Live anzuschauen.“
„’The Last Dance’ muss man
sich definitiv anschauen“
YouTube und weitere Streaming-Dienste scheinen derzeit wirklich von noch größerem wert zu sein als sonst schon. Wenn wir schon bei der NBA sind: Mit Spannung wird ‚The Last Dance’, die neue Dokumentation über Michael Jordans letzte Saison mit den Chicago Bulls, erwartet. Ist das ein Pflichttermin für Dich oder kamen für Deine Generation nach Jordan schon genügend andere Spieler, die Dich fasziniert haben?
„’The Last Dance’ muss man sich definitiv anschauen! Das ist für mich genauso ein Muss wie Dirk Nowitzkis ‚Der perfekte Wurf’. Wobei ich sagen muss, dass mein All-Time-Favourite-Spieler ganz klar Kobe Bryant ist.“
Kobe Bryant kam für damalige Verhältnisse sehr früh in die NBA und wurde auch in seiner Prime-Time von seinen Kritikern nicht selten als Ego-Zocker abgestempelt. Eignet er sich trotzdem als sportliches Vorbild für die jungen Talenten, mit denen du zu tu hast?
„Definitiv mehr als geeignet! Die Mentalität und der Wille nach etlichen Verletzungen jedes Mal wieder zurückzukommen und selbst mit gerissener Achillessehne noch eben zwei Freiwürfe zu treffen ist ein Beispiel von unermüdlichem Kampfgeist. Auch das Engagement abseits des Courts war beeindruckend. Und als kleiner Sneakerhead finde ich auch, dass Kobes Schuhe den Sport wieder etwas verändert habe.“
Nutzt Du die Online-Portale zurzeit auch für die Weiterbildung als Trainer? 
„Auf YouTube gibt es durch die Coach Clinics viel Wissenswertes von anderen Trainern. Mit befreundeten Trainern tauschen wir uns online darüber und anderes regelmäßig aus und diskutieren über viele Details, zum Beispiel aus der Euroleague. Wenn man will, kann man sich seine tägliche Dröhnung Basketball also auch jetzt holen.“
Die Turkish Airlines EuroLeague hat ihren Spielbetrieb ebenso unterbrochen wie die NBA und die easyCredit Basketball Bundesliga. Deine erste Saison als Head Coach unseres Farmteams hingegen wurde schon vorzeitig für beendet erklärt. Bist Du mittlerweile froh, dass es recht früh Klarheit gab und nicht so eine Hängepartie wie in den Profi-Liegen?
„Nach den Absagen der Deutschen Eishockey Liga und weiteren Wettbewerben auf nationaler Ebene bin ich tatsächlich von genau so einem Szenario für die Regionalligen ausgegangen. Die frühe Klarheit war hilfreich, um auch selbst zu wissen, woran man ist. Allerdings hätten wir nach unserem praktisch gesicherten Klassenerhalt in den verbleibenden Spielen gerne noch das ein oder andere ausprobiert.“
„Torge Buthmann hat den
größten Fortschritt gemacht“
Wer aus RASTA Vechtas Farmteam hat denn das Zeug, den nächsten Schritt machen zu können?
„Ich denke, dass wir diese Saison etlichen jungen Spielern diese Bühne der 4. Liga geben konnten. Also erst einmal haben alle einen großen Schritt nach vorne gemacht und ihren Anteil am Teamerfolg gehabt. Torge Buthmann hat meiner Meinung nach mit den größten Fortschritt gemacht. Aber auch Tim Insinger war bis zu seiner Verletzung im Januar ein größerer Leader als je zuvor. Und auch Malte Giljan hat seine Auszeichnung zum besten Center der Liga mehr als verdient. Ich bin jedenfalls schon gespannt darauf, wie in der nächsten Saison die ‚jungen Wilden’ aus dem erfolgreichen Team der U16 der YOUG RASTA DRAGONS im Farmteam-Kader für Wirbel sorgen werden.“
Hast Du eine Vorstellung davon, ob und wenn ja wie die Corona-Pandemie sich auf die RLN 2020/21 auswirken wird?
„Um ehrlich zu sein: Nein. Ich denke, noch keiner von uns hat jemals so eine Situation zuvor erlebt. Daher ist es schwierig zu sagen, wie man sich jetzt in Sachen Planung verhalten soll. Wir stehen jedenfalls in den Startlöchern, um jederzeit wieder loslegen zu können und besprechen mit allen Spielern wöchentlich Trainingspläne. Ich merke dabei, dass alle heiß wie Frittenfett auf die erste Trainingseinheit sind. Ob es dann eine Saison von Dezember bis Juni wird oder vielleicht doch eine ‚normale’ Spielzeit, bleibt abzuwarten. Ich kann mir höchstens noch vorstellen, dass sich der Markt gerade für Importspieler ändert – was natürlich auch einen großen Einfluss auf unsere Liga haben kann.“
„Nächste Saison möchte ich als Coach
etwas ruhiger und abgeklärter sein“
Wie hast Du persönlich Deine erste Saison als Farmteam-Headcoach in der RLN erlebt – was hast du dazugelernt, was willst Du nächste Saison anders bzw. besser machen?
„Die Saison war keine einfache Spielzeit und man muss sich auch klar vor Augen führen, dass letztlich der Endspurt eine sehr angespannte Zeit für mich war. Dazugelernt habe ich sehr viel im Bereich In-Game-Coaching, gerade was taktische Arrangements angeht. Man konnte mit den Jungs aber dahingehend auch viel ausprobieren. Nächste Saison möchte ich definitiv als Coach etwas ruhiger und abgeklärter an der Seitenlinie sein. Ich habe mich sehr viel über Dinge geärgert, die ich oft gar nicht kontrollieren konnte. Es gilt, mehr Fokus auf die Sache an sich zu legen. Dennoch bin ich gerade jetzt hungriger denn je!“
Zugleich warst Du Co-Trainer von Patrick Flomo in der Nachwuchs Basketball Bundesliga (U19). Wo steht das Programm der YOUNG RASTA DRAGONS in Deinen Augen derzeit?
„Wir haben in diesem Jahr eine Umbruchsaison in der NBBL erleben müssen. Ich mache mir aber wenig Sorgen ob der Qualität unserer Spieler, die gerade im 2004er Jahrgang für das nächste Jahr in der B-Gruppe parat stehen. Daher ist es vielleicht gar nicht so schlimm, mit einer so jungen Truppe erst einmal in der B-Gruppe zu spielen. Etwas niedergeschlagen sind alle an der Pariser Straße darüber, was die JBBL-Mannschaft angeht. Ich glaube, es gibt kaum etwas schlimmeres für Trainer und Spieler, wenn ein Dreijahresplan nach einer tadellosen Vor- und Hauptrunde und einem Kantersieg als Playoff-Start so plötzlich vor die Hunde geht und ein wie ich finde „goldener Jahrgang“ um die Chance auf die Deutsche Meisterschaft gebracht wird. Aber ich habe schon jetzt angefangen nach meinem neuen Motto den Tag zu beginnen: Kontrolliere, was du kontrollieren kannst!“
Weitermachen ist das Stichwort, letzte Frage: Wie weit wirft es unsere Talente generell zurück, wo sie doch praktisch nicht trainieren können und auch die DBB-Maßnahmen fehlen?
„Ich denke, dass vielen Spielern der Tagesablauf zunächst gefehlt hat und alle so ein bisschen in ein Loch gefallen sind. Mittlerweile haben sich jedoch alle mit der Situation arrangiert und machen das Beste daraus. Wir werden wie auch schon in der Zeit vor der Corona-Krise versuchen, aus den Möglichkeiten das Maximum rauszuholen und vor allem die Spieler auch weiter mit Input via Videos von Skill-Workouts, Yoga-Sessions oder gemeinsamem Kochen füttern und dafür sorgen, dass alle gesund und einigermaßen fit aus der Quarantäne herauskommen.“
PM: SC RASTA Vechta