„Das Münchener Jugendprogramm gehört zu den ambitioniertesten in Europa“

Welcome back again, Andreas Wagner! So durfte der FC Bayern München im Sommer seinen neuen NBBL-Headcoach begrüßen, denn Wagner ist nicht nur waschechter Münchener, sondern als Trainer im Programm des amtierenden Deutschen Meisters praktisch groß geworden. Von 1999 bis 2006 arbeitete der heute 42-Jährige als Headcoach der 1. Herrenmannschaft, die er 2004 zum Titel in der 1. Regionalliga Süd-Ost und damit zum Aufstieg in die 2. Basketball Bundesliga führte. Zwei Jahre später verließ Wagner seinen Heimat-Klub und arbeitete erfolgreich in Luxemburg, Nördlingen und Bayreuth, ehe er im Oktober 2012 zum FC Bayern zurückkehrte und bis 2015 als Assistenztrainer bei der Profimannschaft war. Nach Abstechern nach Vechta und Ulm folgte nun die zweite Rückkehr in die bayerische Heimat – wo er nun ganz neue Aufgaben übernehmen wird.

 

Andreas, nach einem Jahr als Assistenztrainer bei ratiopharm ulm hast Du den BBL-Klub verlassen, obwohl Dein Vertrag noch eine weitere Saison gegolten hätte. Was waren Deine Gründe dafür?
Andreas Wagner: Das war keine Entscheidung gegen Ulm, sondern für eine neue Herausforderung – obwohl ich diese zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht konkret hatte. In Ulm hatte ich rechtzeitig meine Ausstiegsoption gezogen und seitdem Augen und Ohren offen gehalten, um mich umzuorientieren. Dass dies nun zeitlich mit dem Angebot der Münchener zusammenfiel, war ein mehr als glücklicher Zufall. Ich musste nicht lange überlegen, um es anzunehmen. Neben den sportlichen Aufgaben reizte mich verständlicherweise die Aussicht, in meine Heimatstadt zurückkehren zu können. Meine gesamte Familie lebt hier, meine Frau hat hier immer gearbeitet – auch in der Zeit, in der ich in anderen Städten gearbeitet habe. Insofern ist es schön, auch wieder mehr Zeit mit ihr verbringen zu können.

 

In Vechta und früher in Bayreuth warst Du Headcoach in der BBL, auch in Ulm hast Du in der 1. Liga gearbeitet. Manche würde Dein neues Engagement im Jugendbereich als Abstieg empfinden.
Diejenigen, die so denken, haben in den vergangenen zehn Jahren die Entwicklungen im Nachwuchsbereich nicht verfolgt. Das Niveau in allen Altersklassen zwischen der U14 und der U19 ist mit dem von früher überhaupt nicht mehr zu vergleichen, es wird überall sehr professionell im Jugendbereich gearbeitet – besonders beim FC Bayern. Das Münchener Jugendprogramm gehört in meinen Augen mit zu den ambitioniertesten in ganz Europa. Grundsätzlich ist hier und auch an anderen BBL-Standorten die Aufgabe, junge Spieler für die 1. Liga zu entwickeln. Das ist unheimlich spannend und herausfordernd, für mich aber sicherlich auch eine Umstellung, weil ich lange nicht mehr im Nachwuchsbereich gearbeitet habe. Im Profibereich ging es immer um das nächste Spiel und das Ziel, dieses zu gewinnen. Im Jugendbereich wird langfristiger und nachhaltiger gearbeitet.

 

Der FC Bayern München ist amtierender BBL-Champion und in den kommenden drei Jahren in der Euroleague gesetzt. Ist es realistisch, dass mittelfristig ein Eigengewächs den Sprung in den Profikader schaffen wird?
Daran arbeiten wir. Natürlich ist es ein ehrgeiziges Ziel, aber es führen ja auch verschiedene Wege nach oben. Wir haben mit Karim Jallow aktuell einen Jugendspieler, der in unserem Programm groß geworden ist, nach Ludwigsburg ausgeliehen, wo er kommende Saison eher Spielzeit in der BBL bekommen wird als bei uns. Für die Entwicklung junger Spieler ist Spielzeit auf höchstem Niveau das wichtigste; wenn sie diese zunächst woanders bekommen, hilft das allen drei Seiten: dem Spieler, dem Verein, wohin er ausgeliehen ist, und dem Klub, wo er unter Vertrag steht.

 

Du bist kommende Saison unter anderem als Headcoach für das NBBL-Team des FC Bayern verantwortlich. Siehst Du dort jemanden, dem Du den Sprung in den BBL-Kader zutraust?
Das Potenzial dafür haben einige; ob sie den Sprung letztendlich schaffen, wird man sehen. In der Vorbereitung haben unsere Youngster wie Nelson Weidemann, Kilian Binapfl, Bruno Vrcic oder Matej Rudan schon mit dem BBL-Team trainiert und in Testspielen auch Minuten bekommen. Auf diese Weise sehen sie am besten, was ihnen bis ganz nach oben noch fehlt.

 

Was sind neben Deinem Job als Cheftrainer der NBBL-Mannschaft Deine weiteren Aufgaben beim FC Bayern?
Ich werde eng mit Demond Greene, dem neuen Cheftrainer unserer ProB-Mannschaft, zusammenarbeiten – schon allein, weil viele Jungs aus dem NBBL-Team auch in der 2. Liga auflaufen werden. Außerdem werde ich unsere dritte Herrenmannschaft in der 1. Regionalliga, die auch überwiegend aus Jugendspielern bestehen wird, verantwortlich coachen. Grundsätzlich bin ich zudem in die Entwicklung der sportlichen Konzeption im Jugendbereich eingebunden. Alles in allem ein Paket, das ich total spannend finde! Ich bin jetzt erst seit wenigen Wochen im Amt, aber schon jetzt kann ich sagen, dass mir mein neues Aufgabengebiet riesigen Spaß macht – auch, weil die Nachwuchsarbeit hier eine riesige Entwicklung genommen hat. Zu meiner ersten Zeit beim FC Bayern hielten wir Trainer-Meetings mit drei Coaches ab, heute sind es 18! Es gab kaum hauptamtliche Jugendtrainer, heute haben ambitionierte Vereine wie wir vier bis fünf davon. Allein das zeigt den gewachsenen Stellenwert der Jugendarbeit für den Basketball in Deutschland.

 

In der vergangenen Saison war ALBA BERLIN im Nachwuchsbereich das Maß der Dinge, gewann unter anderem die Titel in der JBBL und NBBL. Ist ALBA für den FC Bayern ein Vorbild?
ALBA leistet ja nicht erst seit der vergangenen Saison tolle Arbeit in der Jugendarbeit, sondern seit etlichen Jahren. Damals waren es Henrik Rödl, der heutige Bundestrainer, und ALBAs Vizepräsident Henning Harnisch, die diese Dinge auf den Weg gebracht haben und, im Falle von Henning, das auch immer noch tun. Das Gleiche gilt für Bamberg, das ebenfalls seit Jahren unheimlich viel in den Jugendarbeit investiert und schon etliche Erfolge feiern konnte. Berlin, Bamberg, wir, aber auch viele andere Klubs leisten im Nachwuchsbereich tolle Arbeit, die nicht immer an Titeln gemessen werden kann. Insofern pflegen wir natürlich eine gesunde Rivalität zu den anderen Vereinen, gehen in Sachen Jugendarbeit aber unseren eigenen Weg.

 

Du sagst, erfolgreiche Jugendarbeit kann nicht allein an Titeln gemessen werden. Aber Euch die NBBL-Krone zurückzuholen, die Ihr 2017 gewonnen habt und die nun ALBA trägt, ist doch sicher ein Anreiz?
In erster Linie wollen wir Talente ausbilden und verbessern. Aber klar spielen wir alle, um zu gewinnen. Die Konkurrenz ist jedoch groß, schon allein in unserer kommenden NBBL-Hauptrundengruppe, wo wir unter anderem auf den Nachwuchs von Ludwigsburg, Ulm und der Internationalen Basketball Akademie München treffen. Die vergangene Saison hat gezeigt, wie schnell man ein paar Gruppenspiele verlieren kann, wenn man möglicherweise nicht in Bestbesetzung antreten kann, weil viele der Jungs in mehreren Mannschaften spielen und ein Einsatz in der NBBL nicht immer garantiert werden kann. Ziel ist also zunächst einmal, sich eine möglichst gute Ausgangsposition für die Playoffs zu verschaffen und so den dicken Brocken am Anfang möglichst aus dem Weg zu gehen. In der Südhälfte geht es dann in der Postseason gegen die Teams aus der Gruppe der Bamberger, und allein diese haben sich in der NBBL-Altersklasse enorm verstärkt. Wir freuen uns sehr auf die Saison, sind aber nicht so naiv zu glauben, dass diese ein Selbstläufer wird.

 

Andreas, Du bist nach langer Zeit jetzt wieder im Jugendbereich tätig und seit dem letzten Mal selber ein paar Jährchen älter geworden. Bist Du bei den Dingen, über die die Jungs heutzutage in der Kabine quatschen, noch im Thema?
(lacht) So viel habe ich bislang noch nicht mitbekommen, aber ich bin guter Dinge, dass ich da noch einigermaßen mithalten kann – so alt bin ich ja Gott sei Dank noch nicht…

 

PM: NBBL gGmbH / JF
Fotos: FC Bayern München