ALBA BERLIN: Der Hunger ist noch nicht gestillt

Deutscher U19-Meister, deutscher U16-Meister, deutscher U14-Meister: Die vergangene Saison von ALBA BERLIN war die erfolgreichste eines einzelnen Klubs in der Geschichte des deutschen Jugend-Basketballs. Dass die Profis außerdem noch Vizemeister wurden, setzte der Spielzeit noch die Krone auf. Wie kann es sein, dass ein Klub gleich drei Altersklassen dominiert? Und was bedeutet das für die Zukunft? Werden die „Albatrosse“ im Nachwuchsbereich auf Jahre hinaus das Maß der Dinge sein?

 

Einer, der es beurteilen kann, ist Josef Dulibic. Der gebürtige Kroate, in Deutschland aufgewachsen, ist seit 2017 Cheftrainer der NBBL-Mannschaft von ALBA BERLIN und führte diese gleich in seinem ersten Jahr zur Meisterschaft. Zuvor war er viele Jahre im renommierten Nachwuchsprogramm des kroatischen Top-Klubs Cibona Zagreb beschäftigt und außerdem Assistenztrainer diverser Jugend-Nationalmannschaften Kroatiens. Der 38-Jährige hat in seiner Basketball-Karriere schon einiges gesehen, doch der Klub ALBA ist selbst für ihn noch eine andere Hausnummer: „Man spürt, hier Teil von etwas Größerem zu sein“, erzählt Dulibic. „ALBA hat ein so unglaublich breites Nachwuchsprogramm, die Talentförderung beginnt schon im Kindergarten und wird in den Grundschulen und weiterführenden Schulen noch intensiviert. Für uns als Klub ist es ein großer Vorteil, in einer Stadt mit 3,6 Millionen Einwohnern arbeiten zu können. Der Pool an talentierten Nachwuchsspielern ist hier entsprechend groß. Deshalb darf es für uns eigentlich auch kein Problem sein, in jedem Jahrgang eine schlagkräftige Mannschaft auf die Beine zu stellen.“

 

 

Die vergangene Saison mit drei Meistertiteln war dabei nur der vorläufige Höhepunkt der sportlichen Entwicklung in ALBAs Nachwuchsbereich. Seit vielen Jahren investiert der Verein erhebliche Summen in seine Talentförderung und hat im Laufe der Zeit ein engmaschiges Recruiting-Netz durch die Stadt gespannt, durch das dem Klub kaum noch ein Talent durch die Lappen geht. „Diese Philosophie, das eigene Nachwuchsprogramm ausschließlich mit Talenten aus der Stadt beziehungsweise der Region zu bestücken, muss man jeden Tag leben. Andere Vereine gehen in dieser Hinsicht andere Wege, auch weil sie nicht über ein solches Einzugsgebiet wie wir in Berlin verfügen“, sagt Dulibic.

 

Für ihn selbst hätte sein Einstand bei den Albatrossen natürlich nicht besser laufen können: Die U19-Mannschaft von ALBA war vergangene Saison vom 1. Spieltag an auf der Mission, den Titel zu holen – und entpuppte sich am Ende schließlich auch als das beste Team der Liga. „Dass wir dieses sein wollten, darauf haben wir uns vom ersten Trainingstag an eingeschworen und uns jeden Tag daran erinnert. Dadurch und natürlich durch unsere guten Leistungen während der gesamten Saison haben wir uns ein Selbstvertrauen aufgebaut, das uns geholfen hat, auch schwierige Phasen zu überstehen. Obwohl wir beim TOP4 in Quakenbrück sowohl gegen Bayern München im Halbfinale als auch im Finale gegen die YOUNG RASTA DRAGONS zwischenzeitlich zweistellig zurücklagen, haben wir immer an uns geglaubt“, erklärt der Headcoach. 

 

 

 

Das personifizierte Selbstbewusstsein im Berliner U19-Kader waren unter anderem Jonas Mattisseck und Franz Jacob Wagner. Point Guard Mattisseck war bereits zum MVP und bester Verteidiger der Liga gewählt worden, ehe er ALBA zum Meistertitel führte. Bisweilen schien der 18-Jährige im Halbfinale und Finale vor lauter Motiviation zu überdrehen, doch in den wichtigen Phasen behielt er die Ruhe und war der Leader, den Dulibic in ihm sieht. „Jonas hat im vergangenen Jahr einen großen Schritt nach vorne gemacht. Er profitiert vom Training mit den Profis von ALBA und bringt alles mit, was einen hervorragenden Spielmacher ausmacht.“ Ähnliches gilt für Franz Wagner, beim TOP4 der Jüngste in ALBAs Team. Sein Baseline-Dunk im Finale gegen die Jungdrachen war eine der spektakulärsten Szenen des gesamten Turniers. „Franz ist unglaublich talentiert und hat schon gesehen, wie gut er durch hartes Training werden kann. Er hat aktuell sogar den Sprung in die Rotation des BBL-Kaders geschafft, und wenn er spielt, dann stehen da nicht vier Profis und ein Jugendspieler auf dem Feld, sondern fünf gleichwertige Akteure. Dass es nicht negativ auffällt, wenn mit Franz ein 17-Jähriger auf dem Parkett steht, ist vielleicht das größte Kompliment für ihn“, freut sich Dulibic über die Entwicklung seines Schützlings.

 

Schlechte Nachricht für ALBAs U19-Konkurrenz in der NBBL: Fast alle Leistungsträger der vergangenen Saison – Mattisseck, Wagner, Drescher, um nur einige zu nennen – können auch noch in dieser Saison in der NBBL zum Einsatz kommen. Dazu rücken aus dem Berliner U16-Kader, der beim TOP4 wie erwähnt auch Deutscher Meister wurde, einige vielversprechende Talente auf. Aber ob und wann die besten Nachwuchsspieler in der U19-Liga zum Einsatz kommen, entscheidet der Klub von Fall zu Fall. Youngster Wagner wird derzeit im BBL-Team gebraucht und spielt überdies für ALBAs Farmteam LOK BERNAU in der ProB. Auch Mattisseck und Center Hendrik Drescher haben schon vergangene Saison einige Spielzeit in der 1. Liga gesammelt; ihr Fokus liegt derzeit auf der ProB. „Je nachdem, wie lang etwa die Saison von Bernau dauert, müssen wir sehen, wo wir unsere jungen Spieler einsetzen. Kommt Bernau zum Beispiel ins ProB-Finale, könnte es für einen Einsatz im NBBL TOP4 – so wir dieses denn erreichen – knapp werden. Und dann muss man abwägen, was für die Entwicklung der Jungs besser ist“, sagt Josef Dulibic. „Für sie ist es wichtig, gegen ältere und körperlich überlegene Gegner zu spielen. Die schlauen Jungs lernen daraus, was ihnen noch zum Profi fehlt.“ Doch auch Spiele in der NBBL bieten den Albatrossen einen Lernfaktor, zumal wenn sie ohne ihre älteren Leistungsträger antreten – wie etwa die überraschende 85:89-Heimniederlage am gestrigen Montagabend gegen den Stadtrivalen AB Baskets. Hier fehlten Mattisseck & Co, sodass Dulibic den letztjährigen JBBL-Youngstern wie Elias Rödl oder Evans Rapieque reichlich Auslauf gewähren konnte.

 

 

Apropos Entwicklung: Dieses Stichwort wird bei fast jedem Klub gebetsmühlenartig wiederholt, wenn sie nach den Zielen ihrer Nachwuchsförderung gefragt werden. Felix Czerny, neuer Headcoach des Bamberger ProA-Teams (Baunach Young Pikes) und Co-Trainer des U19-Teams des TSV Tröster Breitengüßbach, hat hierzu im NBBL-Interview festgestellt: „Wenn wir sagen, dass wir Spieler entwickeln wollen, dann gehört dazu auch, dass man versteht, was es heißt, ein Profispieler zu sein. Profispieler werden daran gemessen, welche Leistung sie bringen. Profispieler müssen liefern, sie müssen etwas auf ihr Papier bringen, damit sie den nächsten Job bekommen. Das ist auch ein Teil der Entwicklung, die sie nehmen müssen vom Jugendbasketball hin zum Profibasketball. Da wird natürlich eine gewisse Ergebnisorientierung verlangt und auch das Mindset, dass du etwas liefern musst. Wenn wir mit all’ den Spielern, die in der NBBL spielen können, da auch spielen, und wir sagen, wir wollen eine Runde weiterkommen als letztes Jahr, dann machen wir uns lächerlich. Natürlich wollen wir dann ins TOP4. Und – wer fährt schon zum TOP4 und will es nicht gewinnen?“ Sein Berliner Kollege kann ihm da nur beipflichten: „Auch Jugendspieler müssen das Bewusstsein entwickeln, dass sie in jedem Spiel etwas zu verlieren haben. Als Sportler willst du immer die Nummer eins sein.“ 

 

 

Als Titelverteidiger hätte ALBA in dieser Saison natürlich eine Menge zu verlieren, aber Josef Dulibic will das nicht als Druck verstanden wissen: „Es muss doch ein angenehmes Gefühl sein, da zu sein, wo andere hinwollen. Und es ist doch der Ehrgeiz von jedem von uns, diese Position zu verteidigen. Ich als Headcoach habe jedenfalls nicht das Gefühl, dass unsere Jungs nach dem Titelgewinn im letzten Jahr satt sind. Im Gegenteil: Sie haben Hunger auf mehr!“

 

PM: NBBL gGmbH – JF

Fotos: ALBA BERLIN (Florian Ullbrich) / Sven Kuczera